Robert A. Stemmle
Den Film mit Heinz Rühmann und Hans Albers kennt wohl jeder. Dies ist die literarische Vorlage - und sie ist ebenso gut.
Witzig intelligent - und was der Film nicht vermuten lässt: Stemmle weiß wovon er schreibt. Unbedingt lesen.
Soweit mein Text von 2001 - der leider nicht korrekt war, was auch daran liegt, dass Goldmann im Impressum kein Copyrightjahr angegeben hat und damals Recherchemöglichkeiten nicht so gut waren wie heute. Selbst bei Wikipedia erfährt man bis heute nicht, wann der Roman verfasst wurde.
Stemmle hat zusammen mit Regisseur Karl Hartl das Drehbuch zum Film geschrieben - und hinterher das Drehbuch zu einem noch besseren Buch verarbeitet. Wann? Bereits 1937. Das Buch erschien damals unter dem Titel "Der Meisterdetektiv".
Ein Schnellzug nach Brüssel wird auf offener Strecke angehalten. Zwei Männer steigen ein. Der eine trägt eine karierte Mütze und einen karierten Reisemantel, der andere hat einen Geigenkasten unter seinen Arm geklemmt. Schnell kommt das Gerücht auf, es handle sich um Sherlock Holmes und Dr. Watson, obwohl die beiden Männer immer wieder darauf bestehen, nur als Morris Flynn und Mack MacMacpherson angesprochen zu werden.
Zwei zwielichtige Gestalten glauben auch, dass Holmes und Watson zugestiegen sind, fliehen und lassen dabei ihr Gepäck zurück - und zwei reizende Mädchen in der Nachbarkabine.
Flynn und MacMacpherson reisen nach Brüssel, werden auch dort von oberschlauen Menschen für Holmes und Watson gehalten, weil sie den bekannten Zeichnungen zu Verwechseln ähnlich sehen.
Weil die Leitung der Brüsseler Polizei nicht weiß, dass Holmes und Watson nur Fantasie-Gestalten sind, werden Morris und Mackie beauftragt, das Verschwinden von vier Mauritius-Marken aufzuklären. Diese vier Briefmarken wurden durch hervorragende Kopien ersetzt (was ein von Berlin zu Fuß nach Brüssel gekommener Junge entdeckt hat. Die Entfernung Berlin - Brüssel beträgt ca. 800 km. Eine stolze Leistung - nur um vier Briefmarken zu sehen).
Eine der Briefmarken gehörte einem Professor Berry, dessen Haus sich in der Nähe von Brüssel befindet. Es ist der Onkel der zwei Mädchen aus dem Zug.
Die Mädchen haben sich vorgestellt, als Schloßerbinnen ein mondänes Leben führen zu können, werden vom langjährigen Diener und dem Rechtsanwalt aber sehr kurz gehalten - da das Vermögen des verstorbenen Onkels nicht aufzufinden ist.
Morris und Mackie kommen gerade rechtzeitig an, um zwei Verbrecher auf frischer Tat bei einem Einbruch zu ertappen.
Schließlich finden die beiden einen selbst dem Diener nicht bekannten Geheimraub und erkennen, dass Professor Berry ein Fälscher war, der von anderen Verbrechern bedroht wurde. Die Zentrale dieser Verbrecher ist das Leihhaus Lombard (ein Lombardkredit ist ein Kredit unter Überlassung eines Pfands).
Es kommt zum Zusammentreffen zwischen Morris und den Verbrechern. Im Film läuft Hans Albers zur Hochform auf (und Siegfried Schürenberg sollte nicht vergessen werden. Damals sah er noch ganz anders aus, als später in den Wallace-Filmen).
Auch als es aussieht, als würden Morris und Mackie verlieren, behalten sie die Oberhand.
Die Geschichte endet dann vor Gericht - wo Arthur Conan Doyle (gestorben 1930, er hat den Film also nicht mehr erlebt) seinen großen Auftritt hat.
Albers und Rühmann haben natürlich überhaupt keine Ähnlichkeit mit Holmes und Watson, wie Sydney Paget sie dargestellt hat, auch nicht wie ich sie mir vorstelle. Flynns Beschreibung trifft eher auf
Nick Knatterton zu, aber der wurde erst Jahre später erfunden.
Die Geschichte spielt 1910 während der (realen) Weltausstellung.
Stemmle gibt sich viel Mühe Brüssel zu beschreiben, außerdem wirft er immer wieder Titel von Holmes-Erzählungen ein. Damit wird aber das größte Problem der Geschichte nicht beseitigt: Holmes und Watson lernen sich 1881 kennen. 1914 ist Holmes um die 60 Jahre alt (His last bow). Damit wäre Holmes aus heutiger Sicht im Jahre 1910 kein alter Mann, aber immerhin ein Mitfünfziger - und wohl kaum so agil wie er von Stemmle geschildert wurde. (Hans Albers war 46 Jahre alt als er die Rolle verkörperte, Rühmann 35 Jahre alt.) Einen damals 50-Jährigen kann man sicher mit einem heutigen 60-Jährigen gleichsetzen.
Natürlich sind Mary Berry und Jane Berry (aus Middletown) aus heutiger Sicht ärgerliche Figuren. Jung, hübsch und etwas dumm. Männer können sich ihnen immer überlegen fühlen. Sie merken nicht, dass Mackie ihnen das Vesper klaut, sie merken auch nicht, dass Morris ihnen ihre Ketten nicht zurückgegeben hat. Heute würde man solche Rollen für Kinder schreiben. Marieluise Claudius (die schon mit 29 Jahren starb) war damals 25, Hansi Knotek ebenfalls (sie starb kurz vor ihrem 100. Geburtstag).
Hilde Weissner, die die raffinierte und intelligente Verbrecherin spielt war 28, zwischen ihrer Rolle und der der beiden vorgenannten liegen jedoch Welten.
Die Dialoge des Romans sind herrlich. Es ist ein ständiges Hin- und Her, das viel von einer Screwball-Komödie hat. Ich wollte, ich könnte solche Dinge schreiben.
Der Roman wird immer wieder neu aufgelegt - verdientermaßen. Auch wenn man den Film nicht kennt, ist das ein wunderbares Stück Unterhaltungsliteratur, das es verdient gelesen zu werden.