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1001 Nacht

1001 Nacht (Alf Laila wa-Laila) ist natürlich nicht der Name des Autors, aber unter diesem Titel während die Märchen, die in ihrem Ursprung alles andere als Kindergeschichten sind, vertrieben. Warum sollte ich das ändern?

Die Geschichten sind über viele Jahre geschrieben oder gesammelt worden. Sie wurden im 9. Jahrhundert zum ersten mal unter dem Titel Tausend Abenteuer zusammengefasst und wohl im 16. oder 17. Jahrhundert in die endgültige Form gebracht. Damit bringt 1001 Nacht es fertig so alt zu sein, wie man als Laie annimmt - und gleichzeitig sehr viel jünger.

Die Rahmengeschichte um Sheherazade ist wohl jedem bekannt, die meisten von ihr erzählten Geschichten eher nicht.

Komplettausgaben sind mir in meinem Leben nur selten begegnet, viel öfters heißt es "Geschichten aus 1001 Nacht", was ja schon auf den Ausschnittcharakter hindeutet.

Auch in meiner Sammlung finden sich nicht alle Geschichten, dazu begeistert mich das Genre zu wenig.

Orientalische Liebesgeschichten

Heyne (1968)

Erotische Liebesgeschichten, die definitiv nicht für Kinder sind.
Mail an Ralf H.


Die drei Damen aus Bagdad und andere Geschichten

Goldmann (?)
Teil einer Gesamtausgabe.

1. bis 19. Nacht
Mail an Ralf H.


Der Haschischesser und andere Geschichten

Goldmann (?)
Teil einer Gesamtausgabe

113. bis 150. Nacht
Mail an Ralf H.


Alaeddin und die Wunderlampe/Ali Baba und die vierzig Räuber

Goldmann (1970)
Zusatzband

Eigentlich kein Bestandteil von 1001 Nacht, werden die beiden Geschichten aber immer wieder als dazugehörig betrachtet. Daher tat Goldmann gut daran, sie als Zusatzband zu publizieren.
Mail an Ralf H.


Walter Talmon-Gros

Französisch in der Tasche

Französisch in der Tasche (1959)
Ullstein (1960)
Talmon-Gros
Ich liebe Frankreich. Vor allem Paris. Wenn ich nicht in Stuttgart leben würde, gäbe es für mich nur eine Stadt auf der Welt, in der ich gerne leben würde - richtig geraten, das ist Paris.

Mein Französisch ist leider nicht besonders gut. Das liegt sicher daran, daß ich kein Mensch bin, der sich hinsetzen und auf Kommando lernen kann. Ich bin jemand, der eine schnelle Auffassungsgabe hat und bei guten Lehrern, gut und nachhaltig Wissen speichern kann. Stupides Auswendiglernen ist nicht mein Ding.

Auf dem Gymnasium hatte ich leider Lehrer, die den Unterrichtsstoff auf eine Weise vermittelten, mit der ich nichts anfangen konnte. Damals war man noch nicht so weit, daß außergewöhnlich begabte Kinder (zu denen mich etliche Lehrer zählten, gleichzeitig aber meinten: " wenn er nur nicht so faul wäre") gefördert wurden.

Nun ja, es ist lange her. Alles lamentieren bringt nichts mehr.

Meine Französisch-Noten waren alles andere als berauschend. Meist irgendwo zwischen vier und fünf, als ich von der Schule abging, hatte man mir eine sechs ins Zeugnis geschrieben.

Inzwischen lese ich hin und wieder Comics auf französisch. Aber so gut wie mein Englisch wurde diese an sich wundervolle Sprache nie.

Bin ich in Frankreich, versteh ich fast alles, was man mir sagt, was man mir zum lesen präsentiert - nur mit dem aktiven Wortschatz hapert es. Ein, zwei Monate in Frankreich - und das Problem wäre wohl gelöst.
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Manfred Taut

James Bomb jagt Queen Kong

James Bomb jagt Queen Kong (1987)
Moewig (1987)
Satire. Im Film? Im Comic? Gut und schön. In beiden Medien gibt es gute Beispiele. In Prosaform? Als Kurzgeschichte - ja. Als Roman? Wenn man daran denkt, was als Satire gemeint war und heute nicht mehr so verstanden wird (z.B. Gullivers Reisen), kann man die Probleme ermessen.

Manfred Taut hat sich auf schlüpfriges Terrain gewagt - und versagt! Wie er einen Verlag gefunden hat, der diesen Mist auf den Markt gebracht hat, ist mir ein Rätsel.
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John Tessitore

Ein Hauch von Nerz

That touch of mink (1963)
Heyne (1963)
Ein amüsantes Buch zu einem amüsanten Film.

Tessitore
Philip Shayne ist ein reicher Junggeselle, dem alles zufliegt. Nur mit Miss Timberlake klappt es nicht auf Anhieb, obwohl sie hin- und hergerissen ist.
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Albrecht Thiebes

Der zahme und sprechende Wellensittich

Der zahme und sprechende Wellensittich (1952)

Albrecht Philler (1982)

Bearbeitet von Georg A. Radtke

Thiebes
Wellensittiche gab es in meiner Familie schon so lange ich denken an. Bei meiner Tante (wo in späteren Jahren neben einer kaum überschaubaren Zahl von Wellensittiche eine stetig wachsende Zahl von Nymphensittichen einen dreißig Jahre gewachsenen Gummibaum totnagte), bei meinen Großeltern (dort hieß der Vogel immer Hansi) und auch bei uns.

Zugegeben, weder ich noch meine Geschwister kümmerten sich um unseren Wellensittich (der natürlich ebenfalls Hansi hieß), trotzdem war es für mich ein Schock, als der Vogel plötzlich nicht mehr da war.

In meiner ersten Wohnung schaffte ich mir 1982 einen gelbgrünen Wellensittich an, den ich Kathrin nannte (nach meiner eben verflossenen Freundin). Nachdem dann meine Katze Renate zu mir kam (benannt nach Kathrins Schwester), kamen dann andere Wellensittiche hinzu, etliche in der auf dem Wohnzimmerschrank angebrachten Voliere geboren. Kathrin war, wenn ich mich jetzt recht erinnere, 13 Jahre alt als sie starb.

Er wurde hinter dem Haus meiner Großeltern beerdigt (Kathrin war ein Männchen, wie sich erst nach Monaten zeigte).

Bis heute habe ich ein Faible für Wellensittiche - egal in welcher Farbe.
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Ludwig Thoma

Der Münchner im Himmel

Der Münchner im Himmel (1911)

DTV (1967)

Ludwig Thoma - allein der Name ließ bei mir die Nackenhaare zu Berge stehen. Ludwig Thoma, das ist für mich der Vorlagenlieferant von -zig Hansi Kraus-Filmen und von Bayern-Kitsch.

Thoma
Es gibt wohl kaum einen Autor, dessen Werk weiter von seinem Ruf entfernt ist. Hier werden witzige, treffsichere Humoresken präsentiert (die Titelgeschichte ist nur 4 Seiten lang), die man unbedingt gelesen haben sollte.
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Die Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten / Tante Frieda (1905 bzw. 1907)
Rowohlt (1958)

In der vorliegenden Version erstmals 1952 veröffentlicht. Die gelungenen Zeichnungen stammen von Olaf Gulbransson (dem Großvater von Disney-Zeichner Jan Gulbransson).
Ludwig Thoma - Die Lausbubengechichten
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Eine Sammlung von sogenannten Lausbubengeschichten, bei dem Titel erwartet man mehr oder wenig harmlose Streiche, wie sie heute von "Verstehen Sie Spaß" verbreitet werden.

Tatsächlich ist der Buch-Ludwig-Thoma ein jugendlicher Terrorist, den selbst die Aussicht auf Strafe nicht von seinem schändlichen Tun abhält.


Das Buch enthält zwei der drei Bücher.

Im ersten Teil (Lausbubengeschichten - 1905) geht es um einige Untaten des Teenagers (14 Jahre alt!) Ludwig. Der Band endet mit der Hochzeit der Schwester.

Dass die Geschichten nicht vollständig erfunden sind, steht inzwischen fest. Dass durch Thomas Untaten die Hochzeit der Schwester (anders als in der literarischen Bearbeitung) verhindert wurde, scheint auch festzustehen.

Geschrieben sind die Geschichten meist im Stil von Schulaufsätzen, also scheinbar weit unter den Möglichkeiten des Schriftstellers Thoma, was wohl ihren Reiz für die Leser ausmacht.


Wenn es nur um die "Streiche" gehen würde, hätte ich das Buch schnell beiseite gelegt. Die Hauptperson ist so durch und durch unsympathisch, dass ich mit so jemandem meine Zeit nicht vergeuden will.

Aber da ist mehr.

Thoma gelingt es die Zeit seiner Jugend lebendig werden zu lassen. Natürlich sind alle geschilderten Personen Typen, die man so ähnlich durchaus selbst erlebt hat oder zumindest in Filmen präsentiert bekam. Der bayerische Alltag des späten 19 Jahrhunderts wird durchaus glaubhaft geschildert.

Ich wußte zum Beispiel nicht, dass die Prügelstrafe in Bayern damals bereits verboten war (es sei denn, die Eltern haben diese vorher ausdrücklich genehmigt).


Lesbar ist das, aber nicht empfehlenswert.


Im zweiten Teil (Tante Frieda - 1907) geht erstmal im Stil der ersten Geschichtensammlung weiter. Die titelgebende Tante, ist allerdings nur zu Besuch und verschwindet wieder, nachdem Ludwig sich an ihrem Papagei vergangen hat. Nicht zum Lachen. Einfach nur abstoßend.


Danach geht es weiter mit Ludwigs erster Liebesgeschichte. Warum sich ein Mädchen für einen Jungen interessieren sollte, der einen solch schlechten Ruf hat, wie der Ich-Erzähler, ist mir ein Rätsel (hier kommt ja noch hinzu, dass er nicht mit Reichtümern oder Macht gesegnet ist).


Interessanter ist dann die über mehrere Kapitel ausgebreitete Liebesgeschichte um den Nachbarn und eine aus dem Ausland angereiste Kusine Ludwigs. Hier wird Thomas sehr realistisch und mitfühlend. Für mich der Höhepunkt der gesamten Lausbubengeschichten.


Abschließend wird Ludwig dann bei jemanden untergebracht, der die dringend notwendige Erziehung nachholen soll. Das wirkt, als habe Thoma die Waisenhausszenen aus Oliver Twist in seinen eigenen Kosmos holen wollen.

Ludwig bekommt es hier mit einem Lump zu tun, dessen ganzes Leben auf Lügen aufgebaut ist - der aber nicht enttarnt werden kann.

Auch das ist nicht schlecht.


Mir hat Tante Frieda alles in allem besser gefallen als die Lausbubengeschichten.

Der Schreibtstil hat sich deutlich geändert, auch wenn immer wieder versucht wird, in das aufsatzartige zurückzufinden. Auffällig ist der immer häufiger auftretende Verzicht auf Dialoge.


Ja, man kann auch Tante Frieda lesen, aber auch diese Geschichtensammlung ist nur selten lustig, dafür häufig als Blick auf die Bayern des ausgehenden 19. Jahrhunderts interessant.


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Axel Thorer

Casablanca


Moewig (1990)
* 29. November 1939 (Tanga, Tanganjika)
Ich weiß nicht, woher ich Axel Thorer kenne. Vielleicht aus der Bunten. Auf jeden Fall ist er einer der Journalisten, dessen Gesicht sich einprägt. Verantwortlich dafür ist der mächtige Schnauzbart.

Axel Thorer: Casblanca
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Man ist versucht zu sagen: "Noch ein Buch über Casablanca. Noch ein Buch, das die Welt nicht braucht."

Falsch - zumindest wenn man Casablanca-Fan ist. Thorer hat die (damals) überlebenden Mitwirkenden besucht und zumindest kurze Interviews und damit Einblicke erhalten. Damit wird das Buch fast zur Pflichtlektüre.

Ärgerlich, daß auch Thorer kaum auf die deutsche Synchronisation eingeht. Immerhin wird Joachim Kemmer in einem Nebensatz erwähnt. Für ein von einem Deutschen geschriebenen Buch ist mir das jedoch zu wenig.

Mehr zu Casablanca: Heyne Filmbibliothek 62
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Jürgen Thorwald

Jean-Paul Tibéri

La Bande dessinée et le Cinéma

La Bande dessinée et le Cinéma (1981)

Regards (1981)

Unter Mitarbeit von Christian-Jaque, C. Marcello, Morris, J-P. Talbot

Tibéri ist auch Co-Autor von L'Univers de Morris.

Tibéri: La Bande dessinée et le Cinéma
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Für mich ein Standardwerk zum Thema Film/Comics, daß sich nicht nur auf Comicverfilmungen beschränkt (viele davon - wie die Tintin-Realverfilmungen - wurden in Deutschland meines Wissens nie gezeigt) sondern auch gemeinsame Bildsprachen und Ausflüge Comicschaffender in die Welt des Films.

Ich habe das Buch bei einem meiner ersten Paris-Aufenthalte gekauft und noch in Frankreich (zum ersten Mal) gelesen.



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John Ronald R. Tolkien

Der kleine Hobbit

The Hobbit (1937)
DTV (1974)

Der Hobbit Bilbo Beutlin verpflichtet sich, den Zwergen bei der Rückgewinnung ihres geraubten Schatzes zu helfen...

Ich weiß, ich bringe ca. die Hälfte der Menschheit gegen mich auf, aber: Das Buch ist stinklangweilig (wobei ich gestehen muß, daß es 20 Jahre her, daß ich es gelesen haben).
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Pamela Lyndon Travers

Helen Lyndon Goff - 09. August 1899 (Maryborough, Queensland, Australien) - 23. April 1996 (London)
Meine Verbindung zu Mary Poppins ist ziemlich merkwürdig.

Ich habe den Film zum ersten Mal in meinen Teenagerjahren gesehen. Mit meinem Klassenkameraden und Freund Cornelius, in einem Kino, das es heute schon lange nicht mehr gibt, genau wie das Gebäude. Hieß das Kino Atelier? Ich weiß es nicht mehr.

Richtig interessiert hat mich der Film damals nicht. Das interessanteste (und der Grund warum ich Cornelius begleitet habe) waren die Komponisten: Richard M. Sherman und Robert B. Sherman. Diese beiden haben auch die Musik zu meinem Lieblingsfilm Chitty Chitty Bang Bang geschrieben.

Der Film erschien mir ordentlich zu sein, aber zunächst hat er mich nicht wirklich begeistert.

Über die Jahre habe ich Mary Poppins dann immer wieder gesehen und er gefällt mir heute sehr viel besser als beim ersten Mal.

Mit P.L. Travers habe ich mich erstmals beschäftigt als Saving Mr. Banks in die Kinos kam.

Mary Poppins

Mary Poppins (1934)
Dressler (1987)

P.L. Travers: Mary Poppins
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Familie Banks braucht dringend ein neues Kindermädchen. Das taucht dann auch prompt auf. Mit Mary Poppins erleben die Kinder fantastische Abenteuer.


Nachdem ich den Film Saving Mr. Banks gesehen hatte, bin ich davon ausgegangen, dass Mr. Banks in dem Buch eine größere Rolle als im Film spielen würde. Hat Mrs. Travers nicht geäußert, es ginge nicht um die Erziehung der Kindern, sondern um die Änderung des Vaters? Täusche ich mich da? Ist das nur eine Geschichte für den Film?

Im hier vorliegenden Buch spielt Mr. Banks bestenfalls eine Nebenrolle.


Das Buch erzählt keine durchgehende Geschichte. Episoden werden aneinander gereiht, ohne dass erkennbar wäre, dass sie durch irgendetwas zusammengehalten werden. Gut möglich, dass Episoden herausgestrichen oder nachträglich eingeschoben wurden, um das Buch auf eine bestimmte Länge zu bringen.


Warum die Kinder so begeistert von dieser Nanny sind, wird nie klar, denn diese Mary Poppins ist durch und durch unsympathisch. Sie ist eitel, übellaunig und sie lügt - wahrlich kein Vorbild für die Kinder, von denen es nicht nur zwei gibt, sondern gleich vier, wobei nur Jane und Michael von Bedeutung sind. Die beiden Zwillingsbabys spielen nur in einem Kapitel (Die Geschichte von Barbara und John) eine wichtige Rolle.


Mr. Banks taucht nur im ersten Kapitel (Ostwind) als handelnde Person auf, Bert nur im zweiten Kapitel (Mary hat Ausgang). Dort wird erwähnt, er heiße sonntags Herbert Alfred. Im dritten Kapitel begegnen wir Onkel Albert (Lachgas). Die Vogelfrau taucht in Kapitel 7 auf (Die Vogelfrau). Darin wird auch erwähnt, dass die Kinder ihren Vater in der Bank besuchen wollen. Dies wird dann aber nicht weiter ausgeführt.


Alle anderen Kapitel hat Disney nicht berücksichtigt, woran er gut tat. Kapitel 6 (Ein schlimmer Dienstag) ist inzwischen für seine Darstellung von Nichtengländern berüchtigt (unterscheidet sich aber kaum von entsprechenden Darstellungen z.B. bei Michael Ende). Kapitel 10 schildert einen nächtlichen Besuch im Zoo, was einerseits mit damaligen Mitteln nur als Zeichentrick darstellbar gewesen wäre, zum anderen wird Mary Poppins hier als Kusine einer Schlange bezeichnet und lügt am Schluss den Kindern ins Gesicht.


Ich habe mich immer gefragt, warum Emily Blunt in Mary Poppins Rückkehr eine deutlich weniger sympathische Figur als Julie Andrews im ersten Film darstellte. Jetzt weiß ich es - und Blunts Darstellung ist immer noch weit von der literarischen Vorlage entfernt.


Der Film ist ein verdienter Klassiker (Buch zum Film von Mary Carey). Für das Buch auf dem er basiert gilt das nicht.


Das Buch enthält Zeichnungen von Horst Lemke. Die sind hervorragend.


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Elleston Trevor

The flight of the Phoenix

The flight of the Phoenix (1964)
Pan (1965)
Trevor Duley Smith
17.02.1920 (Bromley, Kent, England) - 21.07.1995 (Cave Creek, Arizona)

Trevor: The flight of the Phoenix
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Ein hervorragendes Buch, über einen Flugzeugabsturz in der Wüste. Um zu überleben, bauen die Überlebenden aus den Trümmern der Maschine ein neues Flugzeug. Der ständig wachsende Durst, die nicht enden wollende Verzweiflung sind perfekt wiedergegeben.

Das Buch leidet nur unter: dem Film mit James Stewart, Hardy Krüger und etlichen anderen Stars, das die Geschichte eins zu eins, hervorragend umgesetzt widergibt (wer behauptet, ein Film könne die Handlung eines Buchs nicht adäquat wiedergeben, hat entweder keine Ahnung, oder er will nur von seiner Talentlosigkeit ablenken).
Ich habe das Buch im Jahr 2019 wieder gelesen.


Natürlich lese ich ein Buch heute mit anderem Wissenshintergrund als vor 20 Jahren - aber noch immer muss ich sagen: Es ist ein hervorragendes Buch.

Der Leser erfährt kaum etwas über die Männer (nur Männer!) die mitten in der Wüste abstürzen. Aber sie sind unterscheidbar - und das nicht nur an ihren Namen. Am Anfang beginnt fast jeder Satz mit einem Namen, was es dem Leser leicht macht, sich in der Menge zurecht zu finden. Auch später muss man nur sehr selten raten, wer denn jetzt gerade gemeint sein könnte.

Man spürt die Verzweiflung und den Durst (die Männer ernähren sich von Datteln, die in der Ladung waren) - und als Leser ist man froh, jederzeit zu einem Getränk greifen zu können.

Aus Stringer (einem Engländer) wurde im Film Dorfmann (ein Deutscher), dafür entfällt der Deutsche Kepel.

Die Phoenix ist im Buch kaum mehr als ein Motor mit Flügeln. Pilot und Passagiere müssen sich außen aufhalten. Im Film sitzt der Pilot wie in einem alten, offenen Flugzeug.

Selbst wenn man den Film kennt (ich rede immer nur von dem Film aus dem Jahr 1965, da ich den anderen nicht kenne), sollte man das Buch lesen. Es ist einer der besten Abenteuerromane der letzten Jahrzehnte.


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Thaddäus Troll

Thaddäus Troll war das Pseudonym von Hans Baier

Hier gilt es eine kurze Geschichte zu erzählen. In der Stadtbücherei von Stuttgart wurden früher Lesungen aufstrebender Autoren abgehalten.

Eines Tages bin ich in das Büro des Chefs des Wilhelmspalais (dort befindet sich die Stadtbücherei) marschiert und wollte ein Manuskript loswerden. Er war so freundlich, mir die Adresse des Vereins zu geben, der für die Lesungen verantwortlich war. Dorthin sandte ich mein Manuskript (ich glaube, es war "Liebe und Tod") und erhielt Wochen später ein nettes, aufmunterndes Ablehnungsschreiben (das mir leider verloren gegangen ist) von Thaddäus Troll.

Dafür wollte ich mich persönlich bedanken und bin - nachdem ich die Adresse herausbekommen hatte - zu seinem Haus gefahren. Dort wurde ich von seiner dicklichen Haushälterin abgewimmelt, aber wenigstes konnte ich ein weiteres Manuskript ("Roland und Patricia"(?)) in seinen Briefkasten werfen.

Kurze Zeit später beging Troll Selbstmord.

Bis heute denke ich immer wieder, das es mit meinem Manuskript zu tun hat.

Der himmlische Computer und andere Geschichten

Der himmlische Computer und andere Geschichten (1978)
DTV (1985)

Thaddäus Troll: Der himmlische Computer
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Eine Sammlung witziger Anekdoten, abgerundet durch einen Blick auf das Leben des Autors (der bei dieser Gelegenheit sein - eh nicht geheimes - Pseudonym lüftet).
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Deutschland, deine Schwaben

Deutschland, deine Schwaben (1967)
Hofmann und Campe (1967)/Rowohlt (1970)

Thaddäus Troll: Deutschland deine Schwaben
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Thaddäus Troll: Deutschland deine Schwaben
Treffend beobachtet, witzig geschrieben.

Die gleichnamige Fernsehserie vergammelt im Archiv - oder wird zwischen Witzen zweier unkomischer, mäßig bis gar nicht talentierter Darsteller versendet. Eine Schande für das deutsche Fernsehen.
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Preisend mit viel schönen Reden

(1972)

Rowohlt (1975)



Stuttgarter Zeiten

Stuttgarter Zeiten (1977)
Horst Poller Verlag (November 1977)

Thaddäus Troll: Stuttgarter Zeiten
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Ein schneller Ritt durch die Stuttgarter Geschichte seit 1877. Eingeleitet von Manfred Rommel.

Der Text ist kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Namen und Daten, dies aber so geschickt und mit soviel Trollschem Esprit, das es den meisten Lesern wohl erst auffällt, wenn man die hinten angehängte Zeittafel (von Gerhard Raff, einem anderen Mundartler) dagegenhält.

Während der Lektüre habe ich mich gefragt, an wen es sich eigentlich richtet. Wer sind denn die Stuttgarter?

Ja, ich bin Stuttgarter (genauer: Botnanger) und Schwabe. Aber schon die Schwaben werden in Stuttgart immer weniger.

Troll weist in seinem Text daraufhin, daß Stuttgart schon immer so etwas wie ein Schmelztiegel war (meine Worte, nicht seine) und daß man hier, im Gegensatz zu anderen deutschen Städten, friedlich zusammenlebt. Ich denke, darin ist der Text hochaktuell und noch immer zutreffend.

In den Sechzigern und Siebzigern kamen die Italiener, Griechen und Türken, in den Neunzigern kamen die Ossis, jetzt kommen die Flüchtlinge. Und die allermeisten von ihnen sind Stuttgarter geworden oder werden es irgendwann sein.

Wer hätt au des dänkt.


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Theater von hinten

Sanssouci (1955)

Troll
Diverse Glossen rund ums Theater.
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François Truffaut

Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?

Le cinéma selon Hitchcock (1966)

Heyne (1992)
06.02.1932 (Paris) - 21.10.1984 (Neuilly)

Truffaut
Ein Interviewbuch von einem guten Regisseur mit einem mitunter genialen Regisseur.

Pflichtlektüre für jeden der etwas mit Kino zu tun hat - egal ob Profi oder Fan.
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Markus Tschernegg

Das war Primo

Das war Primo (1986)

Edition Comic-Forum (1986)

Tschernegg: Das war Primo
Tschernegg hat sich als Übersetzer einen Namen gemacht. Dieses dünne Büchchen bringt im einen Teil ein nicht endenwollendes, aber auch nach mehrfachen Lesen immer noch interessantes Interview mit Peter Wiechmann, in der anderen Hälfte eine ermüdende und nicht besonders tiefschürfende (weil auf Originaltitel und Erstveröffentlichungsdaten verzichtende) Auflistung der Serien.

Ein Buch, das ich nicht mehr missen möchte. Irgendwann kauf ich mir auch das Zack-Pendant.



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Mark Twain

Pseudonym von Samuel Longhorn Clemens
30. November 1835 - 21 .April 1910
Mark Twain ist einer der besten (wenn nicht der Beste) amerikanische Autoren des 19. Jahrhunderts. Er selbst wird gern von Autoren in Geschichten eingebaut (Bonanza, Star Trek usw.).

Tom Sawyer / Tom Sawyers Abenteuer

Tom Sawyer (1876)

Ueberreuter (1976) / Ravensburger (1968)
Mark Twain: Tom Sawyer Mark Twain: Tom Sawyer
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St. Petersburg, Missouri, irgendwann in den 1840er Jahren (30, 40 Jahre vor Erscheinen des Buches - lt. Vorwort von Mark Twain). Tom Sawyer lebt bei seiner Tante Polly, der Schwester seiner verstorbenen Mutter. Er hat eine Kusine und einen Halbbruder, die im selben Haus wohnen, geht nicht gerne zur Schule, träumt davon Pirat oder Räuber zu werden, ist also in jeder Hinsicht ein ganz normaler Junge.

Das Buch beginnt mit einigen Streichen, zeigt das Aufknospen der ersten Liebe (Becky Thatcher), den verantwortungslosen Tatendrang des Jungen (der mit einigen Freunden von zu Hause ausreist), das langsame Reifen des Jungen, der plötzlich Verantwortung übernimmt, in dem er sich als Zeuge eines Mordes offenbart und doch wieder den Rückfall in das Kindsein (die Schatzsuche).

Die Geschichte spielt vor mehr als hundertfünfzig Jahren, trotzdem kann der erwachsene Leser noch immer Teile der eigenen Kindheit darin entdecken. Haben wir nicht alle davon geträumt Helden zu sein, die große und großartige Abenteuer erleben? Hat nicht bei uns allen das Herz schneller geschlagen, als eines Tages ein Mädchen aufgetaucht ist, das anders war als alle anderen, ohne daß wir einen Grund dafür hätten angeben können?

In der Ueberreuter-Ausgabe fehlt das von Twain verfasste Nachwort, in dem er andeutet, daß seine Helden noch leben - und es weitere Geschichten zu erzählen gibt, die dann aber nicht die Kindheit sondern das Heranreifen zum Inhalt hätten.

Beiden Ausgaben liegt die Übersetzung Lore Krüger aus dem Jahr 1954 zugrunde.

In beiden Ausgaben fehlt die Widmung Twains an seine Frau.

Mark Twain Lore Krüger H. Hellwag
Chapter 1

"TOM!"

No answer.

"TOM!"

No answer.

"What's gone with that boy, I wonder? You TOM!"

No answer.

The old lady pulled her spectacles down and looked over them about the room; then she put them up and looked out under them. She seldom or never looked through them for so small a thing as a boy; they were her state pair, the pride of her heart, and were built for "style," not service — she could have seen through a pair of stove-lids just as well. She looked perplexed for a moment, and then said, not fiercely, but still loud enough for the furniture to hear:

"Well, I lay if I get hold of you I'll—"
1. Kapitel

Toms Spiele, Kämpfe und Verstecke

"Tom!"

Keine Antwort.

"Tom!"

Keine Antwort.

"Was ist bloß wieder los mit dem Jungen, möchte ich wissen! Hallo, Tom!"

Die alte Dame schob ihre Brille hinunter und blickte über sie hinweg durchs Zimmer; dann sie sie hinauf und blickte unter ihr hervor. Selten oder nie blickte sie hindurch, um nach einem so kleinen Gegenstand wie einem Jungen Ausschau zu halten, denn es war ihre Staatsbrille, der Stolz ihres Herzes, geschaffen, um "elegant" zu wirken, und nicht, um zu nützen; ebensogut hätte sie auch durch ein Paar Herdringe blicken können. Einen Augenblick schien sie verblüfft, dann sagte sie, nicht gerade zornig, aber doch laut genug, daß es die Möbel hören konnten: "Na warte, wenn ich dich erwische, dann ...""
Erstes Kapitel.

"Tom!“

Keine Antwort.

„Tom!“

Alles still.

„Soll mich doch wundern, wo der Bengel wieder steckt! Tom!“

Die alte Dame schob ihre Brille hinunter und schaute darüber hinweg; dann schob sie sie auf die Stirn und schaute darunter weg. Selten oder nie schaute sie nach einem so kleinen Ding, wie ein Knabe ist, durch die Gläser dieser ihrer Staatsbrille, die der Stolz ihres Herzens war und mehr stilvoll als brauchbar; sie würde durch ein paar Herdringe ebensoviel gesehen haben. Unruhig hielt sie einen Augenblick Umschau und sagte, nicht gerade erzürnt, aber doch immer laut genug, um im ganzen Zimmer gehört zu werden: „Ich werde strenges Gericht halten müssen, wenn ich dich erwische, ich werde —“


Bei Ravensburger gibt es die Kapitelnummerierungen nicht.

Die Kapitelüberschriften scheine eine deutsche Erfindung zu sein.

Nachdem Polly mit sich selbst geredet hat, fehlt ein weiteres "Keine Antwort."

Ansonsten ist die Übersetzung von Krüger recht gelungen.

Ganz anders als die von Hellwags, die aus dem Jahr 1900 stammt und bei Projekt Gutenberg* zu finden ist. Ohne Not wird die Satzwiederholung ("No answer.") abweichend übersetzt. Auch ansonsten ist die Übersetzung ziemlich ungenau. Auch bei Hellwag fehlt der Satz, der bei Kruse fehlt.
Mail an Ralf H.


Ein Yankee aus Connecticut an König Artus' Hof

A Connecticut Yankee in King Arthur's Court (1889)

dtv (2011)
Mark Twain: Ein Yankee aus Connecticut an König Artus' Hof
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Ein lange Zeit namenloser Amerikaner wird durch einen Schlag gegen den Kopf in das England von König Artus (Arthurs) zurückversetzt.

Was ist über das Buch schon alles geschrieben worden! Natürlich ist es es eine Satire, natürlich ist es ein SF-Roman. Natürlich ist es ungemein lustig.

Aber es ist für mich, der ich es 2018 zum ersten Mal lese, auch ein höchst erstaunliches Buch.

Zum einen dauert es ewig, bis man den Namen des Zeitreisenden erfährt. Im Moment bin ich auf Seite 202 - und nur ein einziges Mal wurde er als Hank bezeichnet. Und das ist noch gar nicht so lange her. Der Nachname ist mir bisher noch nicht aufgefallen.

Zum anderen wundert mich immer wieder, worauf der Ich-Erzähler Bezug nimmt. Allen voran sind das die Telefonanlagen. Der Roman beginnt Ende der 1870 - und da soll es schon das Fräulein vom Amt gegeben haben. Wenn ich die verwirrende Geschichte des Telefons richtig verstanden habe, wurde das Telefon 1877 in den USA eingeführt. ich für meinen Teil habe nie die Vorstellung gehabt, daß damals schon viel telefoniert wurde (Sherlock Holmes bedient sich noch Telegrammen oder Botenjungen).

Ein anderes Problem ist die Vorstellung, daß eine Person all die Änderungen vollbringen soll, die dem Yankee zugeschrieben werden. Er mag ein Ingenieur sein, aber das heißt nicht, daß er in allen Gebieten bewandert ist - und nicht jeder Ingenieur ist ein Praktiker. Wenn jemand einen Motor berechnen kann, heißt das noch lange nicht, daß er einen Motor bauen kann. Hier muss man wohl künstlerische Freiheit gelten lassen.

Ganz besonders gefällt mir, daß Twain aufzeigt, wie sehr die Menschen Gefangene ihrer Umgebung sind. Wer in einer Gedankenwelt aufwächst, kann diese vieleicht leicht erweitern - aber er kann sie nicht sprengen. Deshalb sind Gedanken, die weit über das hinausgehen, was gewohnt ist, nicht von jetzt auf nachher zu verstehen.

Wir (damit meine Sie, unsere mitteleuropäischen Zeitgenossen und mich selbst) sind in einer Umgebung aufgewachsen, die ein sehr breites Wissens- und Kenntnispektrum zulässt und auch erwartet. Deshalb tun wir uns nicht besonderes schwer damit, auch weiterführende Dinge in unseren zu akzeptieren.

Etwas anders sieht das bei den Menschen des 6. Jahrhunderts aus. Die leben in einer von einem deutlich kleineren Wissens- und Erfahrungsschatz gebildeten Blase, für die alles was nicht hineinpasst, ein Wunder oder Zauberei ist.

Unsere Kultur (damit meine ich jetzt Benehmen und Respekt vor anderen) hat die Aufteilung von Aufgaben in großem Stil erst ermöglicht. Damit haben wir aber auch einiges verloren. Eine #metoo-Debatte wäre im 6. Jahrhundert nicht möglich gewesen, denn sie ist das Ergebnis eine Zivilisationsprozesses, der damals noch nicht begonnen hatte. Damals war Sex keine private Sache. Eltern und Kinder haben im selben Raum, häufig im selben Bett geschlafen. Heute unvorstellbar. Andererseits wird eine nackte weibliche Brust damals wohl auch nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben wir heute. Wahrscheinlich tun wir uns mit der Vorstellung der damaligen Verhältnisse so schwer, weil wir eben doch alles durch unsere Erfahrungsbrille betrachen.

Twain scheint diesen Gedanken auch verfolgt zu haben, denn er deutet mehrfach an, daß im Umgang untereinander Dinge geschehen, von denen der Ich-Erzähler, der zwar in der Vergangenheit lebt, in seiner Gedankenwelt aber in seiner Geburtszeit gefangen ist, nicht erzählen kann.

Im zweiten Teil (für mich, aber diese Bezeichnung bietet sich bei der Gesamtschau auf das Buch an), macht sich Hank daran, verkleidet als einfacher Bauer, das Land zu erkunden. Der König besteht darauf ihn zu begleiten.

Aus heutiger Sicht gesehen, sind die Abschnitte in denen Hank einfachen Handwerkern den Wert des Geldes erklärt, der sich nicht nur im nominellen Wert sondern vor allem in der Kaufkraft zeigt, geradezu prophetisch. Wenn man das liest, hat man den Eindruck Twain erklärt Trump seine Sicht der Dinge - und obwohl Twain uneingeschränkt recht hat, versteht Trump kein Wort und besteht darauf, daß allein der nominelle Wert ausschlaggebend sei.

Außerdem schildert Twain seine Sicht auf die Sklaverei - und genau wie der Roman mit jeder Seite brutaler wird, genauso wird das Plädoyer für die Abschaffung der Sklaverei (die durchaus auch unter anderen Begriffen existieren kann).

Nachdem der König und Hank in einer witzigen und absurden Szene vor dem Galgen gerettet werden, erfahren wir, daß Hank Vater geworden ist. Alles läuft bestens, aber während eines Auslandaufenthalts kommt es dann zum Ende des Traums von Camelot. Letztlich siegt Hank gegen das Rittertum - und wird doch von seinem eigenen Sieg besiegt.


Tatsächlich wird der Roman immer düsterer. Twain gibt auf. Die Menschen (damals und heute und in der Zwischenzeit, der Lebenszeit Twains) sind letztlich nicht belehrbar.

Um die Gewaltorgien abzufedern, wird die Erzählung immer absurder und dadurch lustiger. Aber das tarnt nur den Ernst dahinter.


Übrigens: Im Originaltext* taucht der komplette Name Hank Morgen erst im 39. Kapitel auf ("[...]meet the King's Minister, Hank Morgan, the which is surnamed The Boss,[...]"). In der deutschen Fassung fehlt das, daher bleibt Hank ohne Nachnamen ("[....]dem Minister des Königs, der genannt wird der Boss,[...]").
Mark Twain Lore Krüger
A WORD OF EXPLANATION

It was in Warwick Castle that I came across the curious stranger whom I am going to talk about. He attracted me by three things: his candid simplicity, his marvelous familiarity with ancient armor, and the restfulness of his company — for he did all the talking.
EINIGE WORTE ZUR ERKLÄRUNG

Der seltsame Fremde, von dem ich erzählen will, begegnete mir im Schloss Warwick. Dreierlei an ihm zog mich an: aufrichtige Einfachheit, seine außerordentlich Kenntnis altertümlicher Rüstungen und die Tatsache, daß man in seiner Gesellschaft ausruhen konnte - denn er bestritt die Unterhaltung allein.
Krüger setzt Dinge, die Twain an den Anfang stellt ans Ende, wodurch die Wichtigkeit geändert wird. Außerdem kommt es immer wieder zu kleinen Abweichungen.
Mail an Ralf H.


Prinz und Bettelknabe

The Prince and the Pauper (1881)

dtv (Mai 1975) - 11. Auflage (Dezember 1987)
Mark Twain: Prinz und Bettelknabe
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Der 10-jährige Tom Canty sieht dem Prinzen Edward Tudor (später: Edward VI) zum Verwechseln ähnlich. Die beiden tauschen die Kleier - was dazu führt, dass der Prinz aus dem Palast geworfen wird.

Natürlich kenne ich die Handlung, aber das Buch selbst habe ich erst 2022 gelesen.

Die Illustrationen (auch die des Titelbilds) stammen von Horst Lemke (auch wenn der Umschlag selbst wie bei DTV üblich von Celestino Piatti gestaltet wurde).
Das könnte eine ganz normale Verwechslungsgeschichte sein. Ist es aber nicht. Der in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsene Tom Canty träumt von dem Luxusleben als Prinz, während der Prinz sich ein einfaches Leben wünscht. Sobald die beiden die Rollen getauscht haben, wird ihr Beharren auf der tatsächlichen nicht nur nicht geglaubt, sie müssen auch erkennen, dass das herbeigesehnte andere Leben auch nur eine Ansammlung von fuchtbaren Zwängen.

Man muss nicht wissen, dass Edward Tudor bereits mit 15 Jahren starb, dass Jane Grey seine Nachfolgerin war (und nach wenigen Tagen schon wieder abgesetzt und schließlich hingerichtet wurde, um der Geschichte folgen zu können.

Twain schreibt eine Abenteuergeschichte, die aber mit einer ganz gehörigen Portion Sozialkritik daherkommt.

Während Tom mit den Zwängen des Hofes zu tun bekommt und ständig Angst als Hochstapler enttarnt zu werden, begegnet Edward Toms Vater und bekommt es mit dessen Gewalt zu tun. Am nächsten Tag gelingt es ihm, zu entkommen. Er versucht, in das Londoner Rathaus zu kommen, wo ein Empfang für den Kronprinzen stattfindet, wird aber abgewiesen. Nur der Soldat Miles Hendon erbarmt sich seiner und stellt sich schützend vor ihn.


Ich komme sehr langsam mit der Lektüre voran. Das hat nichts mit der Qualität des Buchs zu tun, sondern nur mit fehlender Zeit.


Miles Hedon nimmt Edward zu sich. Dem Jungen gelingt es noch immer nicht, sich an die neue Situation anzupassen. Er führt sich auf als wäre er im Palast, trotzdem hält Miles zu ihm. Eine erste Begegnung mit Toms Vater, kann Miles zu seinen Gunsten entscheiden, aber dann gelingt es dem Vater, Edward aus dem Haus zu locken ...


Tom hingegen muss damit zurechtkommen, dass er nach dem Tod von Heinrich VIII plötzlich als König angesehen wird. Der Prügelknabe des Königs erweist sich nicht nur als große Hilfe, er macht Tom auch klar, dass auch unangenehme Jobs für die Ausführenden wichtig sein können, da sie kaum eine andere Möglichkeit haben, für ihren Unterhalt zu sorgen.


Tom kommt in seiner Rolle immer besser zurecht, während Edward es mit Räubern zu tun bekommt, denen er dann doch entkommen kann. Er begegnet einer Frau, die trotz Armut sehr gut zu ihm ist, wird dort fast von Toms Vater und den Räubern gefunden, begegnet dann einem Einsiedler, der im zwar ein Dach über dem Kopf bietet, aber so wahnsinnig ist, dass er es als seine Aufgabe ansieht, den Junge zu ermorden. Durch das Auftauchen von Miles Hedon wird das verhindert. Leider lässt Miles sich auf eine falsche Spur bringen, anders als Toms Vater.


Aus Eifersucht tut einer er Räuber alles, um Edward in die Hände der Polizei geraten zu lassen, wo Miles Hedon den Jungen dann findet ...


Bei seiner Rückkehr nach Hause muss Miles Hedon feststellen, dass sein Vater tot und ein Bruder tot sind, seine Braut hat den anderen Bruder geheiratet, der ein Schreckensregime führt und sogar nicht davon zurückschreckt, Miles und Edward in den Kerker werfen zu lassen.


Nach öffentlicher Folter, kehren Miles und Edward nach London zurück. Edward schafft es, gerade noch rechtzeitig zur Krönungszeremonie zu erscheinen, wo Tom Canty mit Begeisterung zugibt, nicht der echte König zu sein.


Twain verschweigt in einem Nachwort nicht, dass Edward nur wenige Jahre später starb (im Alter von 15 Jahren), während Tom ein hohes Alter erreicht.


Natürlich hat das Buch etwas märchenhaftes und sehr viel abenteuerliches, aber noch viel mehr ist es eine Anklage, über das Unrecht, dass armen Menschen angetan wird. Twain lässt als Autor keinen Zweifel, dass er solche Dinge ablehnt.


Mark Twain Käthe Reicheis (dtv) Rudolf Brunner (1905) Helene Lobedan (1925)
CHAPTER I. The birth of the Prince and the Pauper.

In the ancient city of London, on a certain autumn day in the second quarter of the sixteenth century, a boy was born to a poor family of the name of Canty, who did not want him. On the same day another English child was born to a rich family of the name of Tudor, who did want him.
I Die Geburt des Prinzen und des Bettelknaben

An einem Herbsttag in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in der Stadt London einer armen Familie namens Canty ein Knabe geboren, der ihnen nicht erwünscht war. Am gleichen Tag wurde in London ein anderes Kind geboren, das seinen Eltern sehr willkommen war.
Erstes Kapitel.

Wie beide geboren und von der Welt aufgenommen werden.

An einem Herbsttage im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts wurde in London einer armen Familie, namens Canty, ein Knabe geboren, der ihr recht unerwünscht kam. Am selben Tage wurde aber auch einer reichen Familie, namens Tudor, ein Kind geboren und jubelnd aufgenommen.
1. KAPITEL Die Geburt des Prinzen und des Bettelknaben

An einem Herbsttag im zweiten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts wurde in der alten Stadt London einer armen Familie namens Canty ein Knabe geboren; und sie freute sich gar nicht über diesen Zuwachs. Am selbigen Tag wurde ein anderes englisches Kind geboren und zwar der mächtigen Familie Tudor, die diesen Knaben heiß ersehnt hatte.
Drei Übersetzungen - alle drei nähern sich dem Original an, entfernen sich aber (teilweise deutlich) davon.

Twain beginnt mit dem Ort, lässt dann die Zeit folgen. Die Übersetzen beginnen mit der Zeit, dann folgt der Ort. Das "den sie nicht wollten" bzw. "den sie wollten" wurde in allen Fällen blumig übersetzt und die sicher beabsichtigte Ähnlichkeit der Formulierung aufgegeben. Damit fehlt die Ähnlichkeit, die lange bevor die beiden Jungs beschrieben werden, vom Autor schon eingeführt wurde.
Mail an Ralf H.